„Das ist der demokratische Supergau”
Über Neuschloß ziehen dunkle Wolken auf – die Ortsbeiratswahl am 6. März kann wie in Rosengarten nicht stattfinden. Archivfoto: TIP
LAMPERTHEIM/NEUSCHLOSS/ROSENGARTEN – Eines vorneweg: Der Wahlausschuss der Stadt Lampertheim genehmigte in seiner ersten Sitzung am Freitag sowohl die Zulassung der Listen für die Kommunalwahlen am 6. März für die Stadtverordnetenversammlung – hier kandidieren CDU, SPD, die Grünen und die FDP – als auch für die Ortsbeiräte in Hofheim und in Hüttenfeld, jeweils mit CDU, SPD und FDP.
Doch was dann folgte, war ein politisches und demokratisches Erdbeben im mit zahlreichen interessierten Bürgern gefüllten Magistratsraum: Sowohl in Neuschloß als auch in Rosengarten findet keine Ortsbeiratswahl statt!
Für den Ortsbeirat Neuschloß wurden zwar die Listen der SPD und der FDP fristgerecht eingereicht, jedoch liegt die Anzahl der Bewerber mit acht unter den zu wählenden neun Sitzen des Ortsbeirates. „Wenn weniger Bewerber zur Wahl zugelassen sind, als Sitze zu vergeben sind, findet eine Wahl nicht statt. Die Einrichtung des Ortsbeirates entfällt für die nachfolgende Wahlzeit”, zitierte Bürgermeister Gottfried Störmer aus dem entsprechenden Gesetzestext.
In Rosengarten stellt sich die Situation etwas anders dar, allerdings mit dem gleichen Ergebnis: Hier reichten SPD und CDU ihre Listen mit je vier Bewerbern fristgerecht ein, die FWG versäumte allerdings den durch eine Amtliche Bekanntmachung rechtzeitig bekanntgegebenen Termin der Abgabefrist – Stichtag war hier der 28. Dezember 2015 – und reichte die Liste erst am 4. Januar 2016 ein. Diese musste somit aus formalen und gesetzlichen Gründen von der Wahl ausgeschlossen werden. Dies führt dazu, dass auch in Rosengarten die Zahl von mindestens neun Bewerbern für den Ortsbeirat nicht erfüllt wird.
Somit wird es in beiden Stadtteilen nicht nur keine Wahl des Ortsbeirates, sondern in der kommenden Legislaturperiode weder einen solchen als auch einen Ortsvorsteher geben.
„Wollen Ausgleich schaffen”
„Wir stehen in der engen Regulierung seitens des Wahlgesetzes. Trotz intensiver Bemühungen unter in Anspruchnahme des Kreis- und des Landeswahlleiters, des Hessischen Städtetages und den Aufsichtsbehörden bis hin zum zuständigen Ministeriums konnten wir keine Lösung finden, die sachgerecht und ordnungskonform eine Ortsbeiratswahl in Neuschloß und Rosengarten ermöglicht hätte. In zwei Stadtteilen können die dort lebenden Bürger somit nicht in den politischen Entscheidungsprozessen offiziell vertreten sein. Dies kann ich als Bürgermeister so nicht akzeptieren. Ich habe die Bitte, dass sich die Bürger in Neuschloß und Rosengarten nicht angehängt fühlen, sondern sich noch stärker einbringen und sich mit Fragen, Informationen und Anregungen direkt an mich und die Verwaltung zu wenden. Ich habe mir intensive Gedanken gemacht, wie wir die Situation verbessern können”, stellte Bürgermeister Störmer klar, der zwei Möglichkeiten vorschlug: Einerseits die Einrichtung von zwei Kommissionen für die beiden Stadtteile, die sich intensiv mit den Problemen und Wünschen vor Ort beschäftigen, und andererseits durch Informationsveranstaltungen zu den entsprechenden, jetzt ausfallenden Terminen der Ortsbeiratssitzungen. „In diesen könnten die Bürger unmittelbar mit der Verwaltung in Kontakt treten und sich einbringen. Aber dies ist alles nicht das, was ein Ortsbeirat an Rechten und Pflichten hat, Ich werde mich bemühen, hier einen Ausgleich zu schaffen.”
Entsetzen in Neuschloß
Was diese Entscheidung für die beiden Stadtteile bedeutet, machte die noch amtierende Ortsvorsteherin Carola Biehal deutlich: „Ich bin entsetzt, entrüstet und tief enttäuscht. Der Ortsbeirat hat in Neuschloß gute Arbeit geleistet, das Wohl des Stadtteils steht hier immer an erster Stelle und nicht die Partei. Es ist keine Lösung, dass es keinen Ortsbeirat gibt, wir haben wichtige Themen auf der Agenda, sei es die Kanal- und Straßensanierung, die Flüchtlinge, die Verkehrsführung oder der Lärmschutz. Dies sind alles Dinge, die bearbeitet werden müssen. Ich kann nur hoffen, dass die für Neuschloß zuständigen Mitarbeiter der Verwaltung sich entsprechend intensiv für uns einsetzen. Ich werde weiter für einen Ortsbeirat kämpfen, auch wenn es ohne Chance ist.” Gleiches gilt für Rosengarten, wo besonders die B47-Südumgehung die Gemüter bewegt und weitere wichtige Entscheidungen nicht durch ein lokales politisches Gremium gefordert und gefördert werden können.
Wäre Supergau zu verhindern gewesen?
Einige Fragen bleiben offen: War es nicht möglich, nachdem bis kurz vor Weihnachten nicht ausreichend Bewerber gemeldet waren, noch einmal im Rahmen einer Amtlichen Bekanntmachung oder einer Presseinformation auf die prekäre Situation hinzuweisen, um alle Betroffenen zu erreichen – so wie dies beispielsweise auch für die Wahl des Ausländerbeirates geschehen war?
Und warum wurde die Zahl der zu wählenden Ortsbeiratsmitglieder in beiden Stadtteilen auf neun festsetzt, obwohl sowohl die Einwohnerzahlen als auch die rechtlichen Grundlagen eine geringere Anzahl zugelassen hätten?
Eines aber steht fest: Verlierer sind am Ende die Bürger, denn ihnen bleibt das Mitspracherecht in vielen politischen Entscheidungen verwehrt oder wird zumindest erschwert. Oder, wie Bürgermeister Störmer richtig feststellte: „Das ist der demokratische Supergau.” Diesen zumindest zu vermindern wird eine schwierige Aufgabe sein, der sich die Verwaltung als auch die Bürger gemeinsam und engagiert stellen müssen. Im Sinne der Demokratie und der beiden Stadtteile. Benjamin Kloos