„Hass ist eine zerstörerische Kraft“

Am 85. Jahrestag der Pogromnacht der Nationalsozialisten gedachten die Stadt Lampertheim auf Einladung von Stadtverordnetenversammlung, Magistrat und DGB Ortsverbands dem Terror gegen die jüdischen Mitbürger. Foto: Steffen Heumann
LAMPERTHEIM – Der aktuelle Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern, die dadurch entfachten globalen Spannungen, sowie der wieder sichtbar gewordene Antisemitismus vor der eigenen Haustüre begründeten in besonderem Maße die Bedeutung der Gedenkstunde an die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. Das wurde auch am Donnerstagabend vor der ehemaligen Synagoge in bewegenden Worten der Redner zum Ausdruck gebracht. Zur Erinnerung: Jüdische Synagogen sowie die Geschäfte und Einrichtungen jüdische Mitbürger wurden durch die Nazis und ihre Gefolgsleute im November 1938 in ganz Deutschland zerstört und geplündert. Auch in Lampertheim gab es massive Ausschreitungen und Terror gegen Juden. Unermessliches Leid für die Menschen jüdischen Glaubens setzte ein.
Offen gezeigter Antisemitismus besonders schlimm
Der grausamen Verbrechen gedachte auch Bürgermeister Gottfried Störmer. „Es ist mir eine Ehre, aber auch die Verantwortung zur diesem mir persönlich sehr wichtigen Ereignis und Thema zu sprechen“, so Störmer. Ein Wendepunkt, der die noch brutalere Verfolgung der Juden in Deutschland und den Holocaust einleitete, befand der Bürgermeister mit Bezug auf die Ereignisse in Lampertheim. Die Synagoge fiel ebenfalls den Flammen zum Opfer, nur schwer vorstellbare Gewaltszenen hätten sich abgespielt. Nicht ohne Grund habe er auf die aktuellen Missstände hingewiesen, spann Störmer den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart bis zu den Wahlergebnissen für die AfD in der Stadt am 8. Oktober. Als besonders schlimm erachtete es das Stadtoberhaupt, dass offen gezeigter Antisemitismus salonfähig geworden sei. „Antisemitismus als schlimmste Form von Diskriminierung“, betonte Störmer. Solchen Entwicklungen müsse man als Gesellschaft und jeder Einzelne entschieden entgegentreten. „Nicht nur an einem Tag im Jahr, an jeden Tag der aufkommenden Hetze“, fügte der Bürgermeister an. „Zeigen Sie Flagge, stehen auch sie für jüdische Mitbürger ein“, appellierte Gottfried Störmer. Lampertheim sei auch ein Spiegelbild der deutschen Gesellschaft, weshalb er sich dazu verpflichtet fühle, Hass und Hetze in der Stadt vorzubeugen.
Verhandlungen und Frieden
Alles Leid, das durch den Nahostkonflikt entstehe, könne durch weitere Tote nicht ausgeglichen werden, so Störmer. Er forderte daher die Verantwortlichen beider Kriegsparteien auf, den bewaffneten Kampf einzustellen und zu Verhandlungen zu kommen. Dass es gelingen könne, wieder miteinander in Frieden zu leben, verdeutliche das wieder selbstbestimmte jüdische Leben im Lampertheim – trotz aller Gräueltaten des Holocausts. Das erfordere aber auch Erinnerung und Mahnung. „Wie heute Abend“, lobte Störmer die Beteiligung der Schüler des Lessing Gymnasiums, die sich mit ihren Lehrern mit dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte befasst und dieses aufgearbeitet hätten. „Bitte lasst nicht nach“, formulierte Gottfried Störmer seinen Wunsch, „euch weiter mit unserer Geschichte zu beschäftigen und dafür zu sorgen, das Vergessen zu verhindern“. Eine klare Haltung zu zeigen, forderte Störmer auch von allen Älteren ein.
Erinnern, verstehen, verpflichten
„Hass ist eine zerstörerische Kraft“, bezogen Paul Heiselbetz und Alessio Schott, Leistungskurs, in ihrem Redebeitrag Stellung, „sie nimmt uns die Fähigkeit, Mitgefühl und Verständnis für andere zu empfinden“. Sofie Strauß erinnerte an Hans und Sophie Scholl, die Weiße Rose und den „80. Jahrestag der Hinrichtung dieser beiden mutigen Menschen“. Der Bücherverbrennung von 1933 gedachte der Leistungskurs Deutsch, der am Beispiel von Brecht über Hemingway bis Tucholsky den „unerwünschten Literaten“ wieder eine Stimme verlieh. „Nie wieder ist jetzt“, brachte LGL-Schulsprecher Richard Goschala vor den abschließenden Musikbeiträgen durch Henrike Stöckinger und Sophie Lutz, zum Ausdruck, wofür alle echten Demokraten jeden Tag aufs Neue einstehen müssen.
Steffen Heumann