„Eigentlich wollten wir damals unseren Kindern nur mal eben ihren Sport retten“

Wurden bei der Cheermeisterschaft in Bensheim für ihre Verdienste geehrt. Die drei scheidenden Macher der Bürstadt Redskins (v.l.n.r.) Harry Frommeld, Niko Thiel und Anna Messina übergeben nach fünf Jahren das Ruder. Foto: oh
BÜRSTADT – „Seit 1979 zelebrieren die deutschen Redskins American Football und Cheerleading …“ kann man auf der Homepage der Abteilung des TV Bürstadt lesen. Somit gehören die Redskins zu den ältesten Einheiten in Deutschland. Was allerdings den Wenigsten bekannt ist: 2018 standen die maroonfarbenen aus Südhessen kurz vor dem Ende. Zwar zählten sie damals 150 Mitglieder. Es gab drei Football- und ebenso viele Cheerleader-Teams. Vor allem die Cheerleader hatten in den vorangegangenen Jahren bereits mehrere Meistertitel nach Bürstadt geholt. Doch hatte sich auch ein schier unüberwindbar scheinender Berg von Schulden angehäuft und die Abteilung stand beim Mutterverein TV1891 enorm unter Druck.
„Es gab nicht viele Leute im TV, die der Abteilung American Football und Cheerleading zum damaligen Zeitpunkt eine positive Zukunft prognostiziert hätten,“ sagt uns die scheidende Abteilungsleiterin Anna Messina. Mutter von Gianlucca, der 2018 noch als Rookie in der U13 gespielt hatte. „Mir war schnell klar, dass das eine sehr wackelige Sache ist. Die Cheers erhielten kaum Support und bei den Footballern … na ja. Sagen wir, das wenige vorhandene Trainingsequipment war in einem desolaten Zustand. Im TV waren wir lästiges Beiwerk und es war irgendwie kein Silberstreif am Horizont erkennbar. Andererseits haben wir aber auch Menschen getroffen, die helfen und etwas bewegen wollten.“
Ebenso kritisch sahen es damals Messina‘s spätere Vorstandskollegen Niko Thiel (Veranstaltungschef) und Harry Frommeld (Kommunikationschef), deren Söhne sich ebenfalls dem American Football verschrieben hatten. Denn da waren nicht nur Schulden, sondern auch ein immenser Investitionsstau. Messina: „Wir sind halt Eltern und es gab nur zwei Optionen. Entweder wir verlegen unsere Kids in einen anderen Verein oder wir fegen die Scherben zusammen und bauen den ganzen Haufen neu auf. Letzteres haben wir initiiert und eisenhart durchgezogen.“
Es wurde sich von einigen Coaches getrennt, Verantwortungen neu vergeben, ein vollständig verändertes Konzept für Kommunikation und eigene Veranstaltungen aufgesetzt, Geld eingesammelt „und vor allem“ bemerkt Niko Thiel, „wir haben damit begonnen, unsere Heimspieltage zu Zuschauerevents zu machen. Als ich das erste Spiel unserer Seniors in Bürstadt gesehen habe, waren dort kaum Zuschauer. Zum 40-jährigen Geburtstag im Juni 2019 hatten wir dann schon mehr als 500 Gäste auf dem Platz.“ Die Schulden beim TV wurden nach und nach zurückgezahlt und bereits 2019 konnten erste Investitionen getätigt werden. Den vielleicht bedeutendsten Höhepunkt als Veranstaltungschef erlebte Thiel am 1. April. Als die Redskins in der Bensheimer Weststadthalle die Cheerleader-Meisterschaften Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland ausrichteten. Thiel: „Wir hatten 1.800 Menschen und eine Megastimmung dort. Das war der Hammer.“
Harry Frommeld: „Eigentlich wollten wir damals unseren Kindern nur mal eben ihren Sport retten. Daraus entstand eine ungeahnte Dynamik. Unterstützt durch begeisterungsfähige und hilfsbereite Menschen. Heute sind die Redskins mit mehr als 300 Mitgliedern in acht Teams der wichtigste Aktivposten beim TV Bürstadt. Wir konnten in den vergangenen Jahren mehrere zehntausend Euro investieren. In neue Cheerleader-Uniformen, Ausstattung für die Football-Teams und vor allem in modernes Trainingsequipment für beide Sportarten. Wir haben treue Sponsoren gefunden, unsere Teams sind sportlich erfolgreich. Kurzum, in Südhessen sind die Redskins der am besten etablierte Anbieter für beide Sportarten. Sogar Goalposts hat die Stadt uns nach mehreren Jahren Diskussion aufstellen lassen und auf dem Platz gibt es mittlerweile Flutlicht. Einzig eine Zuschauertribüne im Stadion an der Wasserwerkstrasse verbleibt als offenes Ziel.“
Nun sei es an der Zeit für neue Ideen und Persönlichkeiten, sagt Frommeld. „Die Redskins gehen hervorragend ausgestattet in die Zukunft und sind für mindestens zwei Jahre finanziell gesichert.“
Ob sich die Redskins in absehbarer Zeit tatsächlich auf eine Zuschauertribüne an der Wasserwerkstraße werden freuen dürfen, steht wohl noch in den Sternen. Oder alternativ in den Plänen für den benachbarten Bildungs- und Sportcampus. Das könnte dann zu einem Projekt für die neue Redskins-Führung werden.
Die Nachfolge für die drei scheidenden Vorstände ist bereits gesichert. Zum neuen Abteilungsleiter wurde der bei den Seniors und den Allstars aktive Jost Mett gewählt und – gemeinsam mit dem schon amtierenden Sportchef André Zeimet – am vergangenen Freitag von der Hauptversammlung des TV bestätigt. Neuer Veranstaltungschef der Redskins ist Patrick Sax, neue Kommunikationschefin ist Ivonne Harder und zur Sprecherin der Cheerleader wurde Jannicke Schmidt ernannt. Niko Thiel wird den TV-Chefs Andreas Roes und Jürgen Litters künftig als stellvertretender Vorsitzender im Mutterverein der Redskins zur Seite stehen. Messina und Frommeld werden den jetzt Verantwortlichen in deren Anfangsphase beratend zur Seite stehen. zg