HOFHEIM – Die Erfahrungen der Bewohner eines Mehrparteienhauses im Stadtteil Hofheim liefern aktuell das Drehbuch für einen Film mit einer wirren Handlung. Für die Mieter einer Immobilie in der Lochgasse gestaltete sich die Weihnachtszeit und der Start ins neue Jahr jedenfalls äußerst turbulent. Auslöser war die Verstopfung eines Abwasserrohres an Heilig Abend, die für helle Aufregung sorgte. Toiletten und Duschen waren nicht mehr zu benutzen, Abwasser und Fäkalien ergossen sich ins Treppenhaus. Aus der Tür einer unbewohnten Wohnung floss ebenfalls eine übel stinkende Masse durchs Haus. Das Dilemma wurde auch in den Sozialen Medien diskutiert und fand schließlich bei Bürgermeister Gottfried Störmer Gehör. Der Stadtchef betonte, dass die verantwortlichen Abteilungen informiert worden seien, um eine schnellstmögliche Reparatur zu veranlassen. Und das trotz der Tatsache, dass die Stadt zum Eintritt des Schadensereignisses gar nicht mehr Eigentümer der Immobilie war.
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Aufgrund der Feiertagssituation kam mit etwas Verzögerung Bewegung in den Fall. Zunächst echauffierten sich die Mieter über den lapidaren Kommentar ihres Bürgermeisters. „Er muss ja auch den Gestank nicht ertragen und kann duschen gehen“, kommentierte ein Mitglied der Community. Es folgten allerhand gut gemeinte Empfehlungen an die Mieter. Nachdem der Gestank immer unerträglicher wurde und sich keine kurzfristige Beseitigung der Ursache abzeichnete, wurden den Bewohnern seitens der Stadt, darunter auch Menschen mit Behinderung und Atemwegserkrankungen, das Angebot unterbreitet, bis zur Behebung des Schadens in einem Hotel Quartier zu beziehen. Die Mieter, die das Angebot annahmen, mussten sich dort zwischen den Jahren bis zum 8. Januar selbst versorgen. Kochen war nicht möglich. „Frühstück gab es nur an den ersten beiden Tagen“, erklärte ein Betroffener gegenüber der TiP Redaktion. Für den schwerbehinderten Familienvater war die Situation besonders belastend. Zwischenzeitlich nahm der Bauhof zwecks Analyse der Ursache und Schadensbehebung die Gebäude in Hofheim in Augenschein. Man müsse eine Firma mit den Arbeiten beauftragen, hieß es am Ende der Vor-Ort-Begutachtung. Nach Tagen der Entbehrungen in denen die verbliebenen Mieter improvisieren mussten und die Ausquartierten einiges an Entbehrungen auf sich genommen hatten, waren alle Betroffenen nach der erfolgten Reparatur erleichtert. Das Rohr war wieder frei. Aber: getrocknete Fäkalien zierten weiterhin das Treppenhaus, der Gestank war unerträglich. Und in der nicht bewohnten Wohnung konnte sich der Fäkalienteppich weiter entfalten. Die Enttäuschung stand den Bewohnern ins Gesicht geschrieben. Die Mietergemeinschaft ging davon aus, dass die Stadt oder der neue Eigentümer der Immobile, dafür Sorge tragen würde, dass eine Spezialfirma mit dem Reinemachen und der Entsorgung der Fäkalien beauftragt würde. Nicht zuletzt deshalb, weil allgemein bekannt sein dürfte, dass von Fäkalien eine ernst zu- nehmende gesundheitliche Gefährdung ausgeht.
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Irrtümlicherweise hatten die Betroffenen gehofft, dass jemand diesen Handlungsbedarf erkennen und Abhilfe schaffen würde. „Wir fühlen uns im Stich gelassen“, erklären die Leidtragenden gegenüber dem TIP. „Es wäre schön, wenn den Betroffenen unkomplizierte Hilfe zu Teil würde“, kommentierte eine Freundin einer Bewohnerin. Niemand sei hier finanziell auf Rosen gebettet oder verfüge über juristisches Fachwissen, so die Freundin. Zudem herrschte Verwirrung was die Zuständigkeit betrifft. Eine Bitte um Stellungnahme des TiP an Bürgermeister Störmer brachte viel Licht in die Sache. Denn die Verwaltung teilte mit, dass sich das Objekt seit dem 5. Dezember 2024 nicht mehr im Besitz der Stadt Lampertheim befunden habe, sondern verkauft worden war. Die Unterstützung an den Weihnachtsfeiertagen und zwischen den Jahren – hierzu zählt auch das Angebot, vorübergehend in einem Hotel Quartier zu beziehen – sei nicht auf einer rechtlichen Basis begründet, sondern ohne Verpflichtung eines Hausbesitzers ausschließlich zum Wohle der Anwohner erfolgt. „Wir kümmern uns nicht um fremdes Eigentum“, stellte Gottfried Störmer klar. Zudem seien die Mieter in einer Versammlung am 3. Dezember durch den Bürgermeister und die städtischen Mitarbeiter der Liegenschaftsverwaltung darüber informiert worden, dass das Haus verkauft wird, so Störmer. Eine Vertreterin des Käufers war bei dieser Versammlung anwesend und habe erste Frage beantwortet, erläuterte der Bürgermeister weiter. „Bei der Feststellung der Schadensursache wurde ermittelt, dass das Kanalrohr aufgrund von Alterscheinungen an einer Stelle gebrochen war. Allerdings war auch durch die Ansammlung von Materialien, die nicht für eine Toilettenentsorgung vorgesehen sind, die Verstopfung erfolgt. Der Schaden wurde bzw. wird aktuell beseitigt. Welche Maßnahmen der Eigentümer der Immobilie zu welchem Zeitpunkt vorsieht entzieht sich unserer Kenntnis. Wir, die Stadtverwaltung Lampertheim, haben alles dazu beigetragen, um den Schaden für die Anwohner zu begrenzen. Schade ist, dass das nicht anerkannt wird“, so Störmer weiter.
Nach Rücksprache mit einigen Mietern wurde die Unterstützung durch die Stadt zwar wertgeschätzt, beklagt wurden indes die chaotischen Zustände. „Scheinbar sind Informationen nicht allen zugänglich“, kritisierte eine weitere Betroffene den Mangel an Kommunikation. „Da blickt niemand mehr durch“, so die Betroffene. Der auf der allgemeinen Notruftafel registrierte Hausmeis- terservice in Mutterstadt war tagelang nicht zu erreichen. Dass selbst zu den angegebenen Telefonsprechzeiten nur der Anrufbeantworter gelaufen sei, erläuterten die Geschädigten gegenüber unserer Redaktion. Der neue Inhaber der Immobilie sei ebenfalls nicht erreichbar gewesen. Ansprechpartner war daher die Verwaltung. Der auf der Notruftafel genannte „Property Service“ in Mutterstadt konnte auch von dieser Redaktion nicht ausfindig gemacht werden: Unter der Adresse erscheint eine andere Firma. Einige Bewohner in der Lochgasse wundern sich nur, dass die Stadt nicht mehr Eigentümer und für die Probleme zuständig sein will, die Mieten allerdings auch im Januar noch auf das bekannte Konto der Stadt geflossen seien – und es weder von der Stadt noch seitens des neuen Besitzers bislang eine Info gibt, dass sich das im Februar ändern würde. Solange bis endlich Klarheit in dem Zuständigkeitswirrwarr herrscht, befürchten die Mieter, dass sich niemand verantwortlich fühlt, die „fäkalienverseuchte“ Wohnung zu reinigen. An Versprechungen glaubt in der Lochgasse niemand mehr. Bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe blieb das „Fäkalienproblem“ in der Lochgasse ungelöst.
Steffen Heumann
KOMMENTAR: Zu wenig Menschlichkeit, Kommunikation und Transparenz. Was früher der Hausmeister erledigt hätte, schimpft sich heute Asset-Management, Property-Management, Facility Management oder Real Estate – nur mit dem Unterscheid, dass nichts passiert, wenn Mieter Hilfe brauchen! Steffen Heumann
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