HILFE ZUR SELBSTHILFE: Tag der Selbsthilfegruppen in der Fußgängerzone ein Erfolg
Gemeinsam hilfreich und stark
LAMPERTHEIM – Glücklich war, wer am Samstagvormittag zu Beginn des 20. Tages der Selbsthilfegruppen im Kreis Bergstraße einen großen Regenschirm zur Hand hatte. So fand die offizielle Eröffnung gut beschirmt statt und die Musiker von „Planet Weschnitz“ hatten einen überdachten Platz bei der Mobilitätszentrale bekommen. Mit heiterer und schwungvoller Folklore, bunt gemischt aus Osteuropa, Amerika und Irland stimmten Reinhard Pleil, Wilfried Morew, Stefan Müller und Adrian Steier-Bertz das Publikum auf den Tag ein. Dann die Freude - bald schien die Sonne. Viele Interessierte kamen früh an die Stände, ideal war die Verbindung mit dem Einkauf auf dem Wochenmarkt. Veranstaltet wurde der Selbsthilfetag, der turnusgemäß zum vierten Mal in Lampertheim stattfand, gemeinsam vom Fachbereich 40 Bildung, Kultur und Ehrenamt und der Selbsthilfekontaktstelle des Caritaszentrums Heppenheim in der teilweise abgesperrten Kaiserstraße. Zur Eröffnung sprachen Bürgermeister Gottfried Störmer, Erster Stadtrat und Sozialdezernent Marius Schmidt, der Direktor des Caritasverbandes Darmstadt Winfried Hoffmann und Andreas Mager, stellvertretender Dienststellenleiter des Caritaszentrums Heppenheim, sowie der Erste Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf in Vertretung des Landrats. Die Redner betonten, wie wichtig die Vernetzung der Selbsthilfegruppen, der Erfahrungsaustausch und Unterstützung in den Selbsthilfegruppen sind und dankten deren Vertretern für ihre dauerhafte Arbeit und ihr Engagement an diesem Tag. Schimpf wollte ermutigen, sich in einer Selbsthilfegruppe einzubringen, man sei nicht allein und erlebe Solidarität. Erster Stadtrat Schmidt betonte, dass die Selbsthilfegruppen ein wichtiger Teil des Gesundheitswesens seien und als Lobbyorganisation eine wichtige Funktion hätten. Über 100 Selbsthilfegruppen gebe es im Kreis, elf Gruppen in Lampertheim. Schätzungen zufolge gibt es bundesweit rund 100.000 Selbsthilfegruppen zu fast jedem gesundheitlichen und sozialen Thema, ist der Presseinformation des Fachbereichs zu entnehmen. Während der Corona-Pandemie konnten sich viele Selbsthilfegruppen kaum in Präsenz treffen, hielten jedoch über andere Kommunikationswege Kontakt, hatten einige Sprecher bereits im Vorgespräch berichtet. Der Neubeginn scheint gelungen angesichts der Anzahl der Informationsstände und der interessierten Besucher. Allerdings wissen die Vertreter der Selbsthilfegruppen zu Suchtproblemen aller Art, dass ihre Stände keinen großen Zulauf haben, Betroffene wollen dort lieber nicht gesehen werden.
Direkte Resonanz hängt vom Thema ab
An einigen Ständen war viel los. So war es am Stand der SHG Rheuma Liga aus Bürstadt, wo die Vorsitzende Inge Rothermel mit Gabi Uhrig und Meike Auer vom Vorstand gefragte Gesprächspartnerinnen waren. „Bewegen mit Spaß“ stand groß auf dem Banner. Von Kopf bis Fuß beweglich bleiben, eine Verschlechterung aufhalten, dafür wird ein Funktionstraining mit Fachkraft auf ärztliche Verordnung bei den Gruppensitzungen angeboten.
Auf die Frage, was Rheuma ist, gibt es wegen der vielen Krankheitsbilder viele Antworten. Auch am Stand der Diabetiker-Selbsthilfegruppe Bürstadt mit dem Motto „Wir informieren, unterstützen, ergänzen“ hielten häufig Besucher inne. Gruppenleiter Stephan Thomas und Edith Appel-Thomas boten eine computergestützte Risikoanalyse und ein Würfelzuckerspiel an. Fibromyalgie bedeutet in der Regel Dauerschmerz, der aber im Blut und in bildgebenden Verfahren nicht messbar ist, ein Problem, von dem Stefanie Durrer aus Lampertheim und Beate Boucher aus Weiterstadt an ihrem Stand berichteten. Früher habe die Medizin dies als Weichteilrheuma angesehen, doch sei die Forschung jetzt weiter, aber nicht am Ziel. Fast nur Frauen seien von diesem jetzt anerkannten eigenständigen Krankheitsbild betroffen. Warmwassergymnastik bringe Linderung. Beim Lipödem ist das Problem bei den betroffenen Frauen fühl- und sichtbar, die Einschränkungen sind beachtlich. Die Selbsthilfegruppe Lip-/Lymphödem Südhessen trifft sich in Bensheim und Heppenheim einmal im Monat. Zur Blasen- und Prostatakrebs-Selbsthilfegruppe Heppenheim kommen auch Frauen, die von Blasenkrebs betroffen sind oder als Begleitung des Partners. Die meisten kommen erst nach ihrer OP, wichtig wäre vorher zu kommen, meinen Klaus Rickel und Dieter Hochstätter. Vorher helfen Informationen, Erfahrungen mit Krankenhäusern und Meinungen bei fälligenEntscheidungen. Die Teilhabeberatung EUTB Bergstraße ist zwar keine Selbsthilfegruppe, aber als unabhängige, ergänzende Beratungsstelle haben Petra Thaidigsmann und Hennig Knapheide in der Projektleitung häufig Kontakt zu Selbsthilfegruppen. Ihre Visitenkarten sind auch in Blindenschrift lesbar. An ihrem Stand war der neueste Teilhabewegweiser des Kreises Bergstraße als 90-seitiges Buch erhältlich. Menschen mit chronischen Schmerzen brauchen Tipps wo man hingehen kann, sie treffen sich bei der regionalen DSL-Selbsthilfegruppe „Schmerz lass nach“ in Weinheim, darunter junge Leute nach OPs und Unfällen. „Gemeinsam sind wir stark“, erklärten Gisela Woll, Marianne Simon und Aldo Frazzetta am Stand. „Stimmungsvogel“ ist eine Selbsthilfegruppe nur für Frauen mit Alkoholproblemen, am Stand ein gut gelauntes Team und ein großer Vogel aus Holz mit beweglichem Kopf und Schwanz, der die persönliche Stimmung anzeigt, wenn man ihn entsprechend einstellt. Am Samstag stand die Stimmung auf „Kopf hoch“. Um Süchte und Abhängigkeit geht es auch beim Kreuzbund. „Freiheit beginnt wo Sucht endet“ war am Stand zu lesen. Beim Arbeitskreis Suchtkrankenhilfe in Lampertheim sind Lars und Manu die Ansprechpartner, die Gruppe trifft sich jeden Montag um 18.30 Uhr in der Seniorenbegegnungsstätte, um 18 Uhr ist Beratungsmöglichkeit. Sucht als peinliches Tabuthema sei bekannt, deshalb verteilte Lars Tütchen mit Gurke und Flyer. „Atmen ist Leben“ hat sich die Selbsthilfegruppe „Atemwegserkrankungen Bergstraße“ zum Motto gemacht. So zahlreich die unterschiedlichen Erkrankungen der Atemwege in der Bevölkerung sind, so zahlreich strömten die Besucher an den Stand. Gruppenabende und Fachvorträge finden in Heppenheim statt. Rüdiger Bürkel ist der Experte in der Selbsthilfegruppe Schlafapnoe, es geht um Atemaussetzer mit oft gravierenden Folgen. Am Stand der Selbsthilfekontaktstelle Kreis Bergstraße gab Angelika Oberheim Auskunft. Auch Adipositas wird als Stigma empfunden, Gruppenleiterin Birgit Schreiber wunderte sich daher nicht über den geringen Zulauf. So war es auch am kleinen Infostand von „Cocaine Anonymous“ gleich nebenan mit Achim und Jonathan aus Frankfurt. Sie empfehlen bei Drogen- und Trinkproblemen Kontakt über die Helpline aufzunehmen. Menschen mit Hernien wie Leisten- und Nabelbrüche landen häufig beim Chirurgen, auch hier sind Informationen vor der OP wichtig, wie Gruppensprecherin Sibylle Schmenger von der Hernie SGH Bürstadt betont. Bei der Schlaganfall-Selbsthilfe für Betroffene und Angehörige ist Hans Dieter Niepötter Kontaktperson. Er hat es selbst vor elf Jahren erlebt und wirbt für den Erfahrungsaustausch und gegenseitige Hilfe. Über das Leben mit Defibrillator können die Mitglieder der Selbsthilfegruppe für Defi-Patienten „Die mit Herz“ einiges erzählen. Jeden 1. Dienstag im Monat um 18 Uhr ist neuerdings Treffen im Sitzungssaal des Alten Rathauses in Lampertheim. Die muntere Gruppe am Stand hatte vor allem mit Aufklärung zu tun, wie Sprecherin Monika Arras dem TIP mitteilte. Nur wenige Leute wüssten mit dem Thema etwas anzufangen, sehr viele seien aber betroffen. Ist das Herz außer Takt, helfen kleine Geräte, eingepflanzt unter die Haut und mit dem Herzen durch Sonden verbunden. Monika Arras weist darauf hin, dass Leistungssport mit Defibrillator möglich ist, wie die Stabhochspringerin Katharina Bauer zeige, die auch Botschafterin des Vereins Defibrillator (ICD) Deutschland ist. Hannelore Nowacki
Beim Selbsthilfetag informierten:
Rheuma-Liga SHG Bürstadt: Inge Rothermel, Telefon 06245/5896.
Diabetiker-SHG Bürstadt: Stephan Thomas, Telefon 01733135951.
Fibromyalgie-SGH Lampertheim: Stefanie Durrer, Telefon 06206/9695837. Anmeldung zu Treffen: info@fms-selbsthilfe.de.
SGH Lip-/Lymphödem Südhessen: Leitung Claudia Effertz, Telefon 01637827534. Internet www.sgh-lipoedem-suedhessen.de.
Blasen- und Prostatakrebs-SGH Heppenheim: Klaus Rickel, Telefon 017680223835; Dieter Hochstätter, Telefon 06251/7805113
Selbsthilfekontaktstelle Caritas Kreis Bergstraße: Angelika Oberheim, Telefon 06252/9901-26. Internet: www.selbsthilfe-bergstrasse.de.
Selbsthilfegruppe für Defi-(ICD)-Patienten mit implantiertem Defibrillator und Partnern: Gruppensprecherin Monika Arras, Telefon 06206/1306529, info@defigruppe-heppenheim.de