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  • Di., 04. November 2025, 21:25 Uhr
    RENOLIT-WINDPARK IN WORMS: Stadtrat stimmt in Sondersitzung mehrheitlich für Änderungsantrag mit gravierenden Folgen für die Planung einer autarken Energieversorgung des Unternehmens

    Nach Entscheidung der Mutlosigkeit steht das ganze Projekt auf der Kippe

    Über einen eigenen Windpark möchte einer der größten Wormser Arbeitgeber, die RENOLIT SE, den Strombedarf künftig preisgünstig decken. Der Wormser Stadtrat konterkarierte das Vorhaben am Dienstagabend zunächst mit seinem Abstimmungsverhalten.
    Archivfoto: Florian Helfert

    Von Steffen Heumann – Wie berichtet, möchte das Industrieunternehmen RENOLIT rund 130 Millionen Euro investieren, um den Wormser Standort zu stärken. Geplant ist außerdem, den hierfür nötigen Energiebedarf aus einem eigenen Windpark zu generieren, der auf Landschaftsflächen unweit der Autobahn A61 und der Bundesstraße B47 entstehen soll. Hierfür sollten ursprünglich etwa 70 Millionen Euro bereitgestellt werden. Nach Infoveranstaltungen in den betroffenen Stadtteilen Horchheim, Pfiffligheim, Wiesoppenheim und am Montagabend in Pfeddersheim, war am Dienstag der Stadtrat in einer Sondersitzung am Zug, um für die Regionalplanung Rhein-Neckar zur Ausweisung weiterer Vorranggebiete für Windkraft einen Beschlussantrag zu fassen. Weil alle drei Optionen in der Beschlussvorlage keine tragfähige Mehrheit fanden, brachte die Koalition von CDU, SPD, „Worms will weiter“ in Person von Dr. Klaus Karlin einen Kompromiss ins Spiel. Statt zwei Windkraftanlagen westlich der A 61 und zwei Windkraftanlagen östlich der A 61 als Vorranggebiete auszuweisen, sollten sich die Planungen nunmehr auf östlich der A 61 und auf die Wiesoppenheimer Gemarkung in Richtung Kleinniedesheim fokussieren. 

    Mit dem Änderungsantrag wurde den Planern ein „Kuckucksei“ ins Nest gelegt. Nach längerer Sitzungsunterbrechung zwecks Beratung in den Fraktionen wurde es zudem maximal unübersichtlich. Ein Antrag auf Vertagung wurde mehrheitlich abgelehnt. Einige der Mandatsträger unterschiedlicher Fraktion erbaten mehr Infos und sahen noch Erläuterungsbedarf, ehe final über das Thema abgestimmt werden sollte. Allerdings sollte wohl am Abend noch eine Entscheidung „erzwungen“ werden. „Am 21. November tagen die Regionalplaner“, bekannte OB Adolf Kessel. „Es geht um Jahre“, so Kessel, der deshalb mit der Beschlussfassung durch die Ratsmitglieder noch auf den fahrenden Zug aufspringen wollte. Anna Biegler, Bündnis 90/Die Grünen, zeigte sich vom Chaos um die Befürwortung des Änderungsantrages geschockt. Biegler bemängelte nicht nur einen Mangel an Transparenz und echter Beteiligung aufgrund der kurzfristigen Strategieänderung. „Ein Blindflug“, führte Anna Biegler in Richtung Stadtspitze weiter aus, „statt strategischer Windkraftplanung“. Dem Änderungsantrag als Ganzes würde mit 26-Ja-Stimmen (inklusive OB Kessel) gegenüber 21 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen zugestimmt. Mit der Konsequenz, dass sich das ursprüngliche Vorhaben von Renolit bezogen auf die gemäß Antrag zur Verfügung stehende Fläche von 5, nach Modifizierung der Pläne auf 4 statt nunmehr auf nur noch eine Windkraftanlage reduzieren könnte. 

    „Eine extrem enttäuschende Entscheidung“, kommentierte Renolit-Vorstand Maschke den Ausgang des Abends. „Schwierig zu bewerten und umzusetzen“, legte Maschke nach. Von 5 auf 4 und jetzt auf eins, wertete nicht nur der Renolit-Sprecher das Ergebnis als Ausdruck der Mutlosigkeit von Entscheidern auch auf kommunaler Ebene. Das Dilemma des Änderungsantrages erläuterten Vertreter von Renolit und dem Projektierer Pionext gegenüber dem NK im Anschluss. Auf der Potentialfläche östlich der A61 könne zum genannten Zeitpunkt nur eine Windkraftanlage umgesetzt werden. Und südlich der B47 auf Wiesoppenheimer Grund und Boden sei fraglich, ob wegen der in unmittelbarer Nähe bereits vorhandenen Anlagen die Richtlinien für eine Genehmigung von weiteren Anlagen überhaupt erfüllt werden können. Stand heute müsste sich Renolit also mit 15 Millionen Megawattstunden Strom zur Nutzung der eigenen Energieversorgung vorerst begnügen. Das ist die Menge, die eine Anlage pro Jahr erzeugen kann.

    Stellungnahmen der Beteiligten 

    Zuletzt hatte der Ortsbeirat in Horchheim seine Unterstützung für den geplanten Bau eines Renolit-Windparks bekundet. Allerdings nur, weil ein Wormser Unternehmen hinter dem Projekt steht. Andernfalls hätte man das Vorhaben abgelehnt. „Wir beißen in den sauren Äpfel“, so Ortsvorsteher Richard Grünewald, „gehen aber den Weg unter den genannten Auflagen mit“. Weniger solidarisch mit den Plänen des Unternehmens zeigte sich der Ortsbeirat in Pfeddersheim am Montagabend. Grundsätzlich würde das Unterfangen begrüßt, sich aktiv für die Energiewende aktiv einzusetzen, den Standort zu stärken und den Erhalt der Arbeitsplätze zu sichern, heißt es in einer Stellungnahme. Der Ortsbeirat sah es aber als kritisch an, dass die vorgesehenen Flächen auf Basis der aktuellen Vorhaben nicht geeignet und zustimmungsfähig seien. Ein bloßes „Durchwinken“ des Projekts wäre nicht verantwortbar, erklärte Jens Thill, Pfeddersheimer Ortsvorsteher. Daher lehnte der Ortsbeirat die derzeit vorgesehenen Flächen ab und plädierte für eine Vertagung der Entscheidung, damit alternative Standorte geprüft und eine sorgfältige transparente sowie faire Planung erfolgen könne. Kritisiert wurde auch, dass nicht ausreichend auf Risiken und langfristige Auswirkungen hingewiesen wurde, da entsprechende Untersuchungsergebnisse und Prüfungsgrundlagen fehlen. Eine weitere Forderung aus Pfeddersheim: Die Fundamente der Anlagen sollen möglichst auf städtischem Grund errichtet werden, damit die ertrage direkt den betroffenen Stadtteile zugutekommen. Gleiches gelte für die finanzielle Entschädigung durch den Betreiber, um Projekte im Bereich Kultur, Umwelt, Jugend, Ehrenamt und Infrastruktur eigenständig umzusetzen.  Ähnlich formuliert es auch Thomas Hans, Ortsvorsteher aus Heppenheim. Peter Rißberger, Ortsvorsteher aus Wiesoppenheim fügte an, dass man nach erster Ablehnung vertiefend über das Projekt nachgedacht habe und Punkte herausgearbeitet worden seien. Im Ergebnis aus der Bürgerversammlung wurde eine Prüfung von Alternativflächen und und eine Begrenzung der Anlagen gefordert. Nicht zuletzt weil der Stadtteil bereits von rund 14 Anlagen umringt sei und man Beeinträchtigung befürchte. Jochen Egelhof, Ortschef in Pfiffligheim, wertete das Vorhaben als überwiegend positiv. „Für die Zukunft, den Standort Worms und die Arbeitsplatzsicherheit“, ergänzte Egelhof. Er schränkte aber auch ein, dass sein Vorort am wenigsten von den Auswirkungen betroffen sei. 

    Den Stellungnahmen der Ortsvorsteher waren die Plädoyers von Renolit-Vorstand Torsten Maschke, sowie Michael Kundel, Renolit-Aufsichtsrat und IHK-Vizepräsident, vorausgegangen, die eine Entscheidung des Stadtrates Pro-Industrie als essentiell einforderten. Nicht nur wegen dem Renolit-Projekt, sondern generell für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Worms. Kunden verwies auf einen ganzheitlichen Blick, der notwenig sei, um gemeinsam auf die ambitionierten Ziele hinsichtlich Erreichen von Klimazielen, Klimaschutz-Perspektiven und Wohlstand in der Stadt mutig, aber auch konsequent hinzuweisen. Steigender Wettbewerbsdruck und gestiegene Energiepreise dürften nicht zu einem Wettbewerbsnachteil führen, verwies Maschke auf die Beweggründe von Renolit pro aktiv zu handeln und die die eigene Versorgung sicherzustellen. „Das Unternehmen will weiter wachsen“, so der Vorstand. Daher müsse man alles Potential nutzen, um am Standort Worms wettbewerbsfähiger zu werden. Worms liege allerdings im Ranking des Unternehmens trotz stabiler Umsätze hinter anderen Produktionsstätten zurück. Das soll durch durch das Windpark-Projekt kompensiert werden. „Am liebsten im Konsens mit allen Beteiligten“, machte Michael Kundel im Gespräch mit dem NK deutlich. Gegebenenfalls müsse man weitere Optionen ausloten. Hierzu zählt auch, den Antrag zur Genehmigung ohne Zustimmung des Stadtrates einzureichen. Das Ergebnis sei offen, aber man bleibe in jedem Fall weiter am Ball.  

    Weitere Stimmen zur Ratssitzung

    „Wir wollen eine gemeinsame Linie finden und machen Renolit ein Angebot, mit dem aber nicht alle in der CDU einverstanden sind.“ (Dr. Klaus Karlin/CDU)

    „Es gibt auch kritische Stimmen in der Koalition. Die 5-Kilometer-Begrenzung durch den Bund ist ein Übel, das einengt.“ ( Direkt Beyer/SPD)

    „Die Eile ist unglücklich. Es gibt angenehmere Stadtratssitzungen.“ (Mathias Englert/Worms will weiter)

    „Die irregeleitete Energiepolitik der Bundesregierung spiegelt sich in diesem Thema wider.“ (Dr. Jürgen Neureuther/FDP)

    „Uns geht das viel zu schnell. Es gibt noch viele offene Fragen an die Stadt und Renolit.“ (Heribert Friedmann/AfD)

    „Ein mutloser Stadtrat, der das Unternehmen im Regen stehen lässt. Das sollte man bei 1.500 Arbeitsplätzen bedenken.” (Monika Stellmann/CDU)

    „Ja zur Windkraft, aber nicht mit einem unausgereiften Änderungsantrag.“ (Carolin Cloos/Bündnis90/Die Grünen)

    „Renolit braucht einen günstigen Industriestromtarif. Wir Bürger übrigens auch.“ (Michael Antz/Freie Liste)

    „Klimawandel macht vor der eigenen Haustüre nicht Halt. Ja zu Projekt, Renolit profitiert, die Ortsteile auch.“ (Isabell Liefertz/Die Linke)

    „Gestern herrschte noch Einstimmigkeit, heute nicht. Warum gibt es keine Vertagung?“ (Toni Ras/Zukunft für Worms)

    „Wertvolle Böden müssen ebenfalls bevorratet werden. Renolit wird mit Windkraftanlagen nicht das Klima retten.“ (Karl Müller/Worms will weiter)

     

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